Von Äpfeln und vom Cidre

Der König der bretonischen Obstgärten ist der Apfel. Hat man die Loire von Süden nach Norden überquert und die Weinberge von Nantes hinter sich gelassen, so betritt man das Land des "cidre". Fouesnant und Clohars-Carnoêt, bei diesen Namen spürt man das Prickeln des Cidre auf der Zunge.
Zur Herstellung von Cidre werden besondere Apfelsorten verwendet. Sie wurden wahrscheinlich aus der Normandie eingeführt. 1636 berichtet Dubuisson-Aubenay, daß man in der ganzen Haute-Bretagne "cidre" neben "poiré" (Birnenmost) trinkt.
Nach einer anderen Quelle soll der Apfel aus Spanien im 12. Jahrhundert eingeführt worden sein. Der Anbau des Apfelbaums breitete sich im Laufe des 17. Jahrhunderts auf jeden Fall sehr schnell über die ganze Bretagne aus.
Cidre wurde das Nationalgetränk. Der bretonische Apfelwein unterscheidet sich vom normannischen durch einen höheren Anteil an säuerlichen und süß-säuerlichen Äpfeln. Dadurch entsteht ein kräftigeres Getränk. Cidre war das tägliche Getränk der einfachen Leute. Der Cidre hat einen niedrigeren Alkoholgehalt als der Wein und wird nicht nach "crus" klassifiziert.
Einige Sorten jedoch, wie der Cidre von Kervignac in Morbihan oder der von La Guerche in Ille-et-Vilaine, von Pleudihen in den Côtes d'Armor oder Clohars-Carnoêt in Finistère genießen einen besonderen Ruf.

Bis vor wenigen Jahren wurde die Herstellung nicht industriell betrieben. Fast jeder Bauer braute seinen Cidre. Es war eine große Ehre für einen Gast, wenn der Herr des Hauses ihm seinen "ty sistr" (Cidrehaus) öffnete und ihn einlud, seinen Cidre zu kosten. In der Stadt ließ man sich ein Faß liefern und füllte den Cidre selbst in Flaschen um. An warmen Sonntagen ging man früher nach dem Spaziergang eine " Bolée" im Gasthof trinken. Man bestellte einen Krug Cidre, den man aus großen Bechern (Bols) und Tassen aus Keramik oder Steingut trank. Glas benutzte man nur für Luxusgetränke: Kaffee und Wein. Steingut hatte den Vorteil, den Cidre kühl zu halten.
Seit dem zweiten Weltkrieg ist der Apfelanbau aufgrund der Flurbereinigung, der Ausdehnung der intensiv genutzten Flächen und der Zunahme des Rotweinkonsums stark zurückgegangen.

Heute werden große Anstrengungen unternommen, die Produktion von Cidre und Poiré zu fördern, und vor allem die Qualität zu verbessern. Mit 25% des Apfelanbaus ist die Bretagne nach der Basse-Normandie der größte Cidreproduzent Frankreichs.
Der Cidre, den man in Champagnerflaschen im Handel kauft, besteht meistens aus einer Mischung verschiedener Apfelsorten. Der "Cidre doux" ist fruchtig und mild, der "Cidre brut" trockener. "Pur jus" dürfen nur die Cidres und Poirés genannt werden, die keinen Zusatz enthalten.

Apfelblüte

Wie wird Cidre hergestellt?

Nach der Ernte werden die Äpfel gewaschen, wobei angefaultes, wurmstichiges oder schorfbefallenes Obst aussortiert wird. Es ist nämlich nur ein Gerücht, daß gerade die faulen Äpfel den Geschmack abrunden, im Gegenteil, sie machen den Wein krank.
Nach dem Waschen werden die Früchte in einer speziellen Obstmühle zerkleinert, damit die Saftausbeute beim Pressen möglichst hoch wird. Mit den modernen Pressen, die heute in der Industrie üblich sind, lassen sich aus 100 Kilogramm Äpfeln etwa 75 bis 80 Liter Saft gewinnen.
Anschließend wird der Saft in Fässer geleitet, in denen unter Luftabschluß die Gärung stattfinden kann. Heute kaum noch im Einsatz sind Eichenfässer, da ihre Reinigung mit viel Aufwand verbunden ist. Weniger romantisch, aber praktischer, sind Gärgefäße aus Stahl oder Kunststoff.
Hefen vergären nun den Zucker zu Alkohol und Kohlensäure. Meistens werden Hefen zugesetzt, aber auch auf die vorhandenen natürlichen Hefen ist Verlaß. Der Hefezusatz hat den Vorteil, daß sich die Gärung besser steuern läßt.
Die französischen Äpfel enthalten verhältnismäßig wenig Stickstoff, den die Hefen für ihren Stoffwechsel brauchen. Die Gärung geht daher nur sehr langsam vor sich. Läßt man ihn durchgären, braucht der Cidre dafür etwa drei Monate. Zum Vergleich: Der hessische Apfelwein ist in der Hälfte der Zeit fertig. Der langsame Gärprozeß hat zur Folge, daß viel Kohlensäure im Cidre gelöst bleibt. Das leichte Moussieren ist ja auch eine typische Eigenart des Cidre. Eine relativ niedrige Temperatur sorgt mit für die langsame Gärung und dafür, daß der Wein nicht essigstichig wird.
Die Industrie hält die Gärtanks unter kontrollierter Kühlung, anfangs bei einer Temperatur von etwa 18°C, später bei 10 bis 12°C.
Während der Gärung haben sich die schweren Trubstoffe und die Hefen unten als Depot abgesetzt, die leichten oben einen braunen Hut gebildet. Um den Wein von den Trubstoffen zu trennen, wird jetzt "abgestochen", das heißt, der Wein wird zwischen den Trubstoffen mit einem Schlauch abgezogen. Im Großbetrieb wird der Wein durch Zentrifugieren und Filtrieren geklärt. Nach der Klärung erfolgt die Reifung, bei der auch ein leichtes Nachgären stattfindet. Die Reifezeit kann Wochen bis Monate in Anspruch nehmen.

Cidre-Schnaps

Aus Cidre brennt man in der Bretagne einen Schnaps, der hier je nach Gegend "Goutte" oder "Lambig" oder "Lagout sistr" genannt wird, wenn man ihn nicht mit dem Spitznamen "Louarn kamm" (hinkender Fuchs) bezeichnet und der seinem normannischen Nachbarn, dem Calvados, in nichts nachsteht.

Ecoutons la chanson du bon cidre qui mousse!
Ecoutons la chanson du cidre doré!
C'est la chanson du pâtre, la chanson du mousse,
Le chant de la grand'lande et du grand flot sacré!

Hören wir das Lied des schäumenden Cidre,
hören wir das Lied des goldenen Cidre,
es ist das Lied des Hirten,
es ist das Lied des jungen Matrosen,
es ist das Lied der weiten Heide und der gesegneten Hut.

Thédore Boterel (bretonischer Dichter)

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